Wir alle kennen das. Wenn man uns nach negativen Erfahrungen fragt, können wir einen Wasserfall an Ereignissen benennen, beginnend mit der Kleingeld-Oma an der Kasse über den verregneten Sommer bis zu den Ungerechtigkeiten der Welt. Wir denken und grübeln über den letzten Streit mit dem Partner deutlich länger nach, als über einen romantischen Abend mit derselben Person. So weit, so normal. Unser Gehirn ist negativ. Besser gesagt unser Gehirn verarbeitet negative Erlebnisse schneller und genauer. Dieses Ärgernis haben wir unserem Steinzeitalter zu verdanken. Es ist einfach so, dass das Übersehen eines Säbelzahntigers (etwas ausgelutschtes Beispiel) keine weiteren Erfahrungen mehr zulassen könnte, während eine verpasste romantische Höhlennacht zwar schade, aber nicht lebensbedrohlich war.
Unser Gehirn hat sich im Großen und Ganzen nicht wirklich verändert seit 10000 Jahren. Der negative Bias, mit dem wir ausgestattet werden, trifft auf eine Umgebung ohne Säbelzahntiger, dafür aber mit anderen „Gefahren“. Die Säbelzahntiger des 21. Jahrhunderts sind der Verlust des sozialen Status, Konkurrenz auf der Arbeit, die Angst abgehängt zu werden, Einsamkeit, wenig Zeit mit der Familie, eine nicht gut greifbare Bedrohung durch den Klimawandel und weitere Ängste. Der Tiger war schnell, tödlich aber selten. Moderne Gefahren sind langsamer, selten tödlich aber dafür ist der Kontakt mit potentiellen Gefahren (Chef, Mitarbeiter, Zeitung, Instagram, Stau ect.) deutlich gestiegen. Fressen für unser negatives Gehirn, was dieses sehr schnell und effizient in unser sogenanntes implizites Gedächtnis speichert, um uns bei der nächsten Gefahrenlage mit Stresshormonen zu warnen.Und grade der Kontakt zu anderen Vertretern unserer Spezies ist Stressauslöser Numero Uno.
Das liegt zum einen daran, dass verschiedene Bedürfnisse, Weltanschauungen, Ressourcenknappheit und Konkurrenz (natürlich neben Liebe, Freundschaft, Wohlwollen, ect). auftreten, aber auch an der Verarbeitung zwischenmenschlicher Begegnungen.
Es wurde festgestellt, dass in der Kommunikation ein Verhältnis von 1:3 -1:5 vorherrscht. Um eine negative Kommunikation wie Streit, Missverständnisse und Bedrohung auszugleichen, braucht es drei bis fünf positive Kommunikationen. Wenn wir jetzt unsere Gespräche so durchgehen, verstehen wir, warum so oft die Türen knallen.
Aber die gute Nachricht erreichte uns vor etwa 70 Jahren. What fires togehter, wires togehter (der wohl am häufigsten genannte Satz von Neuropsychologieprofessoren). Was zusammen feuert, verbindet sich). Es ist die Grundlage der sogenannten Neuroplastizität. Früher wurde angenommen, dass ein Erwachsenenhirn nicht mehr veränderbar sei, dies konnte zum Glück für uns widerlegt werden. Wir können unser Gehirn und somit unsere Verhaltensmuster trainieren und neu verdrahten. Aber wie verdrahten wir unser Gehirn positiver?
Es ist so einfach wie auch genial. Auch unser Gehirn kann positive Ereignisse ins implizite Gedächtnis aufnehmen, es braucht nur länger. Unsere Aufgabe ist es unsere Aufmerksamkeit länger auf positive Ereignisse zu richten. Das kann sowohl eine aktuelle Erfahrung (fortgeschrittenes Level) als auch eine erinnerte positive Erfahrung sein. Es braucht dann ungefähr 15-20 Sekunden, in denen wir unsere Aufmerksamkeit auf diese positive Erfahrung richten und wenn möglich mit Körpergefühlen, Emotionen und Gedanken wahrnehmen. Also vollständig bei der positiven Erfahrung zu bleiben.
Dr. Rick Hanson erklärt in seinem Talk (https://www.youtube.com/watch?v=jpuDyGgIeh0) die einzelnen Schritte noch genauer:
1. Have a good Experience /Hab eine gute Erfahrung
2. Enrich it / Lass die Erfahrung mit allen Facetten wachsen, um so sich in dein Erleben einzubrennen oder anders gesagt, erfreue dich daran.
3. Absorb it/ Absorbiere es, indem du dir bewusst die Intention setzt, dass diese positive Erfahrung nun einen positiven Pfad in deinem Gehirn verstärkt
Als Option nennt er noch eine weitere Technik, um die Abrufbarkeit zu erhöhen und um vormals negative Ereignisse zu neutralisieren:
4. Link positive und negative experience/ Verbinde positive mit ähnlichen negativen Erfahrungen. Dadurch, kannst du diese Erfahrungen abmildern und dadurch dass die negative Erfahrung schneller erinnert wird, wird nun auch die positive Erfahrung schneller erinnert.
Es geht dabei nicht darum negative Erfahrungen zu überpinseln, sondern einerseits positive Erfahrungen gleichwertiger zu behandeln und gleichzeitig dazu negative Erfahrungen nicht zu dramatisieren und somit viel mehr Handlungsmöglichkeiten in der Bewältigung negativer Erfahrungen zu haben. Dies braucht Übung, aber wenn wir uns immer wieder selbst die positiven Erfahrungen verstärken, wenn wir sie erleben, profitieren wir dreifach. Wir schulen unsere Achtsamkeit, weil wir dabei sein müssen, um es zu erleben, wir richten unsere Aufmerksamkeit automatisch mehr auf positive Erfahrungen, weil wir sie ja suchen und wir verdrahten unser Gehirn über die Zeit immer positiver und positiver. 1:3 wird 3:1.
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