Jede Zeit hat ihre Anziehungskraft. Die Vergangenheit zieht uns an mit schönen Erinnerungen und Momenten. Mit Kindheit, erstem Kuss und dem Geruch von Sommerurlaub, aber auch mit alten Gefühlen, verpassten Chancen, Abschied und Verlust.
Die Zukunft lockt uns mit Phantasien eines besseren Ortes, Plänen und Zielen genauso wie mit Unsicherheit und schließlich Krankheit und Tod.
Die Achtsamkeit hingegen ist die Kraft der Gegenwart. Ihre Kraft ist meistens feiner, viel weniger ausgeprägt als die anderen Kräfte. Sie legt sich eher wie ein weiches Licht auf den jeweiligen Moment als dass sie uns stark in eine Richtung zieht.
Wir Menschen werden ständig zwischen der Vergangenheit und Zukunft hin- und hergezogen, ähnlich einem Seil beim Tauziehen. Die Gedanken kreisen um längst geschehene Geschichten oder malen sich eine Zukunft aus, die noch gar nicht eingetreten ist. Wir verlieren uns manchmal sosehr darin, dass wir das Leben gar nicht wirklich mitbekommen. Und Je öfter wir diesen Kräften nachgeben, desto stärker werden sie.
Das gleiche gilt aber auch für die Achtsamkeit. Wir können durch Training, durch Meditations- und Konzentrationsübungen unseren Muskel der Gegenwärtigkeit stärken und schulen. Was geschieht dann?
Nichts Besonderes. Und dennoch Alles. Das Nicht-Besondere ist die Gegenwart. Es bleibt die gleiche Gegenwart mit immer neuen Geschmacksrichtungen an Erfahrungen, nur verschafft die Achtsamkeit uns einen lebendigen Zugang dazu. Wir erleben das Hier und Jetzt und das ist alles was wir jemals vom Leben bekommen können. Im Prinzip ist immer das jetzt, dieser Moment, diese Gegenwart. Die Vergangenheit war einmal das Jetzt, die Zukunft wird einmal das Jetzt. Dies logisch zu begreifen ist nicht das Problem. Das Problem ist, wenn wir versuchen es logisch zu begreifen, ist der Moment schon weg und ein neuer da. Achtsamkeit hilft uns aber im Hier und Jetzt tatsächlich zu sein. Es also zu erleben.
Vergangenheit wird dann nur noch eine Erinnerung, die sich im Jetzt als Gedanken zeigen, alte Gefühle zeigen sich in diesem Moment im Körper. Die Zukunft sind Phantasien oder Sorgen, die man genau Jetzt hat.
Die Achtsamkeit erlaubt der Vergangenheit und Zukunft uns in der Gegenwart zu besuchen, ohne dass wir uns in darin verlieren müssen. Wir bleiben präsent mit diesen Besuchern, die vielleicht wichtige Botschaften für unsere Gegenwart mitbringen. Manche dieser Botschaften in Form von Erfahrungen kennen wir auswendig, manche überraschen uns als unerwartete Pläne oder Wünsche.
Die meiste Zeit versuchen wir jedoch aus der Gegenwart zu fliehen. Vielleicht weil sie unangenehm ist. Vielleicht weil dort Schmerzen auftauchen, weil es langweilig ist oder die Erfahrung in sonstiger Weise nicht unseren Erwartungen entspricht. Dadurch stärken wir wiederum die Kraft der Vergangenheit und der Zukunft. Wir wollen hin zur Ablenkung oder Vergleichen die Situation mit früher, wo es doch mal anders war.
Achtsamkeit lädt uns ein diese Gewohnheit abzulegen und die Gegenwart mit einer annehmenden Haltung einzuladen. Dadurch geben wir uns der Lebendigkeit des Augenblicks hin. Dem einzigen Augenblick in dem wir auch wirklich am Leben sind. Dort wo wir handeln können, dort wo wir denken und fühlen können, dort wo wir lieben können, dort wo wir der Vergangenheit erinnern oder verzeihen können, dort wo wir Pläne und Ziele festlegen und beginnen. Dort wo wir einfach sein können.
Comments